Dreidimensionales Gebilde aus pyramidenartigen Gitterelementen und Kugeln, welche die vernetzten Kooperationspartner symbolisieren

Moderne Steuer-IT für alle

In allen 16 Bundesländern sollen die Steuern auf derselben IT-Grundlage berechnet und erhoben werden. Die Vereinheitlichung der Software ist ein Großvorhaben, das seinesgleichen sucht und nur in Zusammenarbeit gelingen kann.

Es ist das wohl größte Digitalisierungsvorhaben in der deutschen Verwaltungslandschaft und ein Vorzeigebeispiel dafür, dass länderübergreifende Zusammenarbeit ein Gewinn für alle sein kann: das Vorhaben KONSENS. Hinter der eingängigen Abkürzung, dessen Name schon stark auf das Grundprinzip dieses Erfolgsprojekts hindeutet, steckt die „koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung“. Noch einfacher ausgedrückt bedeutet das, dass alle Finanzämter in Deutschland mit derselben Software arbeiten. Was so simpel klingt, ist in der Praxis ein Mammutvorhaben – gilt es doch, über Jahrzehnte gewachsene und von Land zu Land teilweise sehr unterschiedliche Infrastrukturen und Softwarelösungen auf den gleichen Stand zu heben. 

Gemeinsames Ziel, geteilte Aufgaben

Das Verwaltungsabkommen KONSENS aus 2007 bildet bis heute die wichtigste Grundlage für Bund und Länder bei der Entwicklung der Steuer-IT. Denn hier sind die Beschaffung, die arbeitsteilige Entwicklung, die Pflege, die Finanzierung und der Einsatz der einheitlichen Software klar geregelt. Die Umsetzung liegt in der Verantwortung der fünf Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die nach dem EfA-Prinzip („Eine für Alle“) im Auftrag des Bundes und der 16 Länder die IT für die gesamte Steuerverwaltung realisieren. Für jedes IT-Verfahren hat eines der fünf entwickelnden Länder die Federführung. Alle anderen verpflichten sich, das Verfahren im Nachgang zu übernehmen und zu nutzen.

Damit diese Verfahren immer den aktuellen Anforderungen gerecht werden und der Steuerverwaltung einen echten Nutzen bringen, gibt es die Steuerungsgruppe IT (Stgr-IT). Hier finden die strategische Planung der Aufgaben und die Abstimmungen über die Dringlichkeit der Aufgaben statt. Die Stgr-IT besteht aus dem Bund und den fünf Steuerungsgruppenländern. Die anderen elf Bundesländer sind an den Genehmigungsprozessen und der Finanzierung beteiligt, halten sich aber ansonsten aus der operativen Steuerung heraus, die durch die Gesamtleitung KONSENS erfolgt. Dieses Prinzip ist nicht nur effizient und transparent. Es vermeidet auch doppelte Arbeit, spart Kosten und ist somit ein Best- Practice-Beispiel dafür, wie gesamtdeutsche Digitalisierungsprojekte trotz – oder gerade wegen des föderalen Systems – gut funktionieren können. 

Stilisierte Deutschlandkarte, darauf farbig markiert die fünf bei der Entwicklung von KONSENS kooperierenden Bundesländer

Die Verfahren

Den operativen Kern von KONSENS bilden die insgesamt 19 IT-Verfahren, die geräuschlos hinter den Kulissen der Finanzämter arbeiten und ineinandergreifen. Eines davon ist die elektronische Steuererklärung ELSTER – die größte und wohl auch bekannteste E-Government-Anwendung Deutschlands. Weniger bekannt, aber ebenso elementar sind die drei Kernverfahren ELFE (die einheitliche, länderübergreifende Steuerfestsetzung), BIENE (eine bundeseinheitliche und evolutionäre Neuentwicklung für die Erhebung) und GINSTER (Grundinformationsdienst Steuer). Während viele Verfahren aufgrund ihrer Komplexität noch immer in der Entwicklung sind, ist GINSTER bereits erfolgreich in allen Bundesländern im Einsatz. Mit der Hilfe von GINSTER können die Finanzämter Steuerkonten für ihre Steuerpflichtigen anlegen und wichtige Stammdaten wie Name, Adresse oder Bankverbindung verwalten. Dieser Datenbestand bildet das Fundament für viele andere KONSENS-Verfahren, die auf Daten von natürlichen und nichtnatürlichen (u.a. juristische) Personen aufsetzen. 

Übersichtsgrafik mit Schlüsselzahlen des KONSENS-Steuerverfahrens: 16 beteiligte Länder + Bund; Entwicklung von 19 KONSENS-Verfahren durch 1.300 IT-Profis, Nutzung durch 100.000 Beschäftigte an 550 Standorten, 6 Mrd. Verarbeitungen pro Jahr
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GINSTER made by HZD

Für die Entwicklung von GINSTER ist Hessen als auftragnehmendes Land verantwortlich. Der Hauptteil der Entwicklungsarbeiten wird in der HZD geleistet. Zuarbeiten kommen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Stefan Duchhardt, der als Verfahrensmanager bei der HZD maßgeblich an der Planung und Budgetierung der Entwicklungsaufgaben des Verfahrens beteiligt ist, erklärt, warum die Verwaltung der Stammdaten so wichtig ist: „GINSTER nimmt eine zentrale Funktion im Gesamtvorhaben ein, da viele andere Verfahren auf die Stammdaten zugreifen. Gäbe es kein GINSTER, könnte die Steuerverwaltung keinen einzigen Steuerbescheid an den Steuerpflichtigen adressieren“, so Duchhardt. „Hier sind durchdachte Schnittstellen gefragt und natürlich eine enge Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Denn wenn eine Software nicht die fachlichen Anforderungen erfüllt, ist niemandem geholfen. Dabei hilft der Austausch in Fachgruppen, in denen auch Vertreterinnen und Vertreter der Steuerungsgruppenländer sitzen und wo über fachliche Fragen diskutiert und entschieden wird. Dieser Austausch von Expertise und Erfahrung bildet die Grundlage unserer Arbeit. Die Leitung unserer Fachgruppe GINSTER liegt bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, mit der wir gut und eng zusammenarbeiten.“

Dass es manchmal auch eine Herausforderung sein kann, die verschiedenen Perspektiven zusammenzubringen, macht Markus Wallisch, einer von drei KONSENS-Entwicklungsleitern von Hessen, deutlich: „Es kommt schon mal vor, dass strategische Entscheidungen der HZD, wie beispielsweise zum Einsatz von Containern oder Cloudservices, in eine andere Richtung gehen als die Vorgaben, die wir vom Gesamtvorhaben KONSENS erhalten. Hier sind wir Entwicklungsleiter gefragt, denn genau darin besteht unser Auftrag: Wir sorgen dafür, dass sich die Aufgaben von KONSENS auch in die Linie des Bundeslandes Hessen einfügen. Zugleich können wir mit Fachexpertise positiv auf strategische Entscheidungen im Vorhaben einwirken und so beide Sichtweisen bestmöglich übereinbringen.“ 

Hessen ist ein zuverlässiger Partner im Vorhaben KONSENS. Die HZD erbringt in KONSENS nicht nur Entwicklungsleistungen im Verfahren GINSTER, sondern ist auch durch weitere Themen wie beispielsweise die Gestaltung der ITSM-Prozesse stark am Fortschritt von KONSENS beteiligt.

Jürgen Thiel Gesamtleitung KONSENS
Hessisches Ministerium der Finanzen

„Hessen ist ein zuverlässiger Partner im Vorhaben KONSENS. Die HZD erbringt in KONSENS nicht nur Entwicklungsleistungen im Verfahren GINSTER, sondern ist auch durch weitere Themen wie beispielsweise die Gestaltung der ITSM-Prozesse stark am Fortschritt von KONSENS beteiligt. Termintreue und qualitativ überzeugende Zuarbeiten sind beim EfA-Prinzip wichtige Punkte, die hier verlässlich erfüllt werden." 

Moderne Komponenten als technische Basis

Bei der Entwicklung von GINSTER setzt die HZD modernere Technologien gegenüber dem bisherigen Großrechnerverfahren ein. Hierfür kommt die Programmiersprache Java zum Einsatz sowie eine sogenannte relationale Datenbank, in der die Daten in vordefinierten Beziehungen zueinander organisiert sind. Einen weiteren technischen Baustein von GINSTER bildet die GINSTER-Bekanntgabeunterstützung, eine Schnittstelle, über die andere Verfahren auf die Stammdaten zugreifen können, um beispielsweise ihre Schriftstücke adressieren zu können. Damit die Software auch deutschlandweit in allen Finanzämtern funktioniert, arbeitet die HZD nach einem einheitlichen Build-Management. Dieses ist in KONSENS zentral vorgegeben, damit die HZD das Verfahren von Beginn an so entwickelt und konfiguriert, dass es in allen Dienststellen einheitlich eingesetzt werden kann. Bis das jedoch soweit ist, muss ein umfangreicher Release-Prozess durchlaufen werden. Das umfasst weitreichende technische sowie fachliche Tests. Auch das gehört zum täglichen Geschäft der HZD-Entwicklungsteams. 

Nach dem Release ist vor dem Release

Auch wenn GINSTER eines der ersten Kernfahren ist, das bereits erfolgreich in Produktion gegangen ist, gilt die Arbeit nicht als erledigt. Schließlich stehe die Technik nicht still, und auch die Gesetze befänden sich laut Markus Wallisch in einem ständigen Wandel: „KONSENS ist ein Vorhaben der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, da die Teams in den einzelnen Verfahren unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen arbeiten. Man darf nicht erwarten, dass die Umstellung per Knopfdruck passiert. Immerhin sind die bestehenden Verfahren über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren gewachsen. Und unsere Steuergesetze sind so dynamisch, dass wir die Verfahren kontinuierlich anpassen und weiterentwickeln müssen.“ Speziell für GINSTER bedeute dies, so Wallisch weiter, dass man neben dem laufenden Betrieb momentan vor allem daran arbeite, eine webbasierte Benutzeroberfläche und eine neue Architektur nach den zentralen Vorgaben von KONSENS zu entwickeln. Denn die technische Weiterentwicklung ist ein erklärtes Ziel des Vorhabens KONSENS.

So ist und bleibt die Modernisierung und Vereinheitlichung der Steuer-IT eine Daueraufgabe, bei der noch wichtige Teile vor uns liegen. KONSENS mit seinem durchdachten Konzept, den klar definierten Aufgaben und den geregelten Zuständigkeiten macht aber schon jetzt eines deutlich: Länderübergreifende Digitalisierungsvorhaben wie dieses können gelingen und zu echter Effizienz, Kostenersparnis und durchgehend hoher Qualität auf technischer wie auf fachlicher Ebene beitragen.