Farblich verfremdetes Foto von traditionellem Postkasten und darüber gelegter Grafik aus stilisiertem Brief und den Zahlen 1 und 0

Elektronische Effizienz im Quadrat

Nachrichtenmanagement mit e²P

Um die Digitalisierung der Justiz und insbesondere den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) voranzubringen, haben die Bundesländer Hessen, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt eine Allianz gebildet: den sogenannten e²-Verbund. e² steht dabei für den Anspruch, ergonomisch-elektronisch optimale Anwendungen zu schaffen, mit denen alle an einem Justizarbeitsplatz anfallenden Aufgaben erledigt werden können. Zu diesem Zweck wurde eine ganze Suite entwickelt, zu der die Produkte e²A (elektronische Akte), e²S (Saalanzeige- und Saalmanagementsystem), e²T (elektronische Textverarbeitung) und e²P gehören. Letzteres ist ein System zum elektronischen Postein- und Postausgangsmanagement (beispielsweise von Dateien aus EGVP, Scan, De-Mail, Druck oder Fax) und stellt das Herzstück der e²-Suite dar.

Zentraler Baustein mit vielen Vorteilen

Die Entwicklung von e²P liegt in der Verantwortung des Landes Hessen. Mit der Projektleitung sowie dem Testmanagement und dem Rollout-Management wurde die HZD beauftragt, die das Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit der IT-Stelle der hessischen Justiz umsetzt. Die Anwendung greift Elemente der ELEVATOR-Plattform auf, die ebenfalls von der HZD entwickelt wurde, und löst diese seit 2021 ab.

e²P ermöglicht die weitgehend automatisierte elektronische Verarbeitung und Verteilung von Posteingängen und -ausgängen. Daran angebunden sind die justizinternen Fachverfahren in allen hessischen Fach-, Amts- und Landgerichten, im Oberlandesgericht mit sämtlichen Zweigstellen und in den Staatsanwaltschaften. Darüber hinaus stellt e²P eine Kommunikationsplattform bereit, mit deren Hilfe die Fachverfahren mit den Komponenten der e²-Familie interagieren. Durch die medienbruchfreie Weiterverarbeitung von ein- und ausgehendem elektronischen Schriftgut an den Gerichten entstehen erhebliche Effizienzgewinne. Zudem wird eine orts- und zeitunabhängige Akteneinsicht sowie paralleles und mobiles Arbeiten ermöglicht.

ELEVATOR bildet die infrastrukturelle Basis für ERV-Verfahren zur Kommunikation über das Elektronische Gerichtsund Verwaltungspostfach (EGVP) und den elektronischen Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeiten (ERV OWi). Es dient dem Versand und Empfang elektronischer Nachrichten (eNachricht) sowie elektronischer Kostenrechnungen (eRechnung). Durch das Bereitstellen einer funktionalen Architektur ermöglicht ELEVATOR einen gesteuerten Postein- und -ausgang für alle Sachgebiete der Justiz.

Modularer Aufbau und Funktionsweise

Die Systemarchitektur von e²P ist so aufgebaut, dass sie clusterfähig ist und ausfallsicher auch Rechenzentrumsübergreifend eingesetzt werden kann. Durch den modularen Aufbau der Systemarchitektur können einzelne Services nach den individuellen Anforderungen der e2P-Anwendenden skaliert werden. Sollte es zu Ressourcenengpässen kommen, können zur Skalierung weitere Server aufgesetzt und der jeweilige Service darauf installiert werden.

Der zentrale Verarbeitungsprozess der Postein- und -ausgänge wird durch das e²P-Kernsystem gesteuert. Hier wird anhand der Metadaten einer Nachricht entschieden, welche Verarbeitungsschritte durchzuführen sind und wohin die Nachricht weitergeleitet wird. Dabei sieht der Posteingangsprozess vor, Nachrichten von verschiedenen Kommunikationskanälen abzuholen (wie beispielsweise EGVP oder E-Mail), passende Mehrwertdienste wie Virenprüfung oder Formatwandlung durchzuführen und dem Fachverfahren (wie etwa e²A) die Nachricht zuzustellen. Analog zu diesem Vorgehen arbeitet der Postausgangsprozess, der den Versendeprozess von Nachrichten regelt.

An seinen Außengrenzen stellt das e²P-Kernsystem Schnittstellen bereit, die den XTA-Standard implementieren (einen Standard für Transportverfahren, der in der öffentlichen Verwaltung zur Anwendung kommt). Dadurch können auch Fachverfahren an e²P angebunden werden, die nicht Teil der e²-Suite sind. Für Systeme, die nicht den XTA-Standard implementiert haben (wie beispielsweise EGVP, E-Mail oder Scan), werden Adapter bereitgestellt, die aus dem jeweils proprietären Format eine XTA-Nachricht erstellen. Diese können von den e2P-Verbundländern an ihre jeweiligen Vorgaben angepasst werden. Darüber hinaus können auch eigene Adapter implementiert werden.

Neben e2P betreibt die HZD für Hessen auch die Verfahren e2A (die elektronische Akte) und e2T (die elektronische Textverarbeitung).

In Hessen betreibt die HZD e²P derzeit standortredundant von zwei Rechenzentren. Hier werden derzeit täglich ca. 20.000 Nachrichten verarbeitet.

Erfolgreicher Rollout

Seit 2018 pilotiert die hessische Justiz erfolgreich die gesamte e²-Suite im Landgericht Limburg und seit April 2021 auch im Sozialgericht Kassel. Die beiden Pilotierungen wurden durch das Landessozialgericht, das Verwaltungsgericht Kassel und die Staatsanwaltschaft Darmstadt noch erweitert. Parallel zu den laufenden Pilotierungen hat die HZD den Rollout von e²P in enger Zusammenarbeit mit der Justiz in 2022 erfolgreich abgewickelt und alle Gerichte in Hessen an e²P angeschlossen. Die Anwendung liefert im Vorgriff auf die E-Akte für alle hessischen Gerichte eine leistungsfähige Infrastruktur für den elektronischen Rechtsverkehr. Das gemeinsame Ziel, die Gerichte fehlerfrei vom Verfahren eNachricht nach e²P zu migrieren und die Ausfallzeiten für die Kunden der HZD zu minimieren, wurde mit Erfolg erreicht.

Cloudbasiert zu Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit

Einen weiteren, sehr großen Meilenstein hat die HZD in den beiden vergangenen Jahren mit der erfolgreichen Installation der e²-Module auf der Verfahrenscloud Hessen (VCH) erreicht. Um auf die VCH migrieren zu können, musste das Team der HZD die Infrastruktur in ihren Rechenzentren komplett neu aufbauen. Die Kunden profitieren damit von einer deutlich verbesserten Ausfallsicherheit und einer höheren Verfügbarkeit.

Ausblick

In den nächsten sechs Monaten ist der Rollout von e²A und e²T in den noch ausstehenden Landgerichten geplant sowie der Rollout von e²A in allen Sozial- und Verwaltungsgerichten. Außerdem steht für das erste Quartal 2023 die Aktualisierung der drei e²-Module (e²A, e²P, e²T) auf ein neues Major Release an. In fernerer Zukunft werden zudem die Themen Containertechnologie und S3-Speicher spannend: Sie bilden die Grundlagen für neu zu entwickelnde Verfahren. Für die bereits bestehenden e²-Verfahren wird die Anwendung der Technologien derzeit von den Softwareherstellern geprüft, teilweise fand die Umstellung schon statt.

Autoren des Beitrags

Markus Scholl
IT-Gesamtbetriebsleiter eJustice-Verfahren bei der HZD

Pascal Meister
IT-Entwicklungsleiter e²P bei der HZD