Farblich verfremdetes Foto von Richterhammer und Schlagblock mit darüber gelegter Grafik aus stilisierter Akte und den Zahlen 1 und 0

Digitalisierung quer durch alle Instanzen

eJustice als Gemeinschaftsprojekt der bundesdeutschen Justiz

Auch in der Justiz ist die Digitalisierung zum Dauerthema geworden. Eine besondere Herausforderung bei der Planung und Umsetzung zielführender Maßnahmen stellen die hohen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Vertraulichkeit dar, die für das Rechtssystem gelten. Zudem sind die vielen unterschiedlichen Institutionen zu berücksichtigen, die in der Rechtsprechung eine tragende Rolle spielen. Die hessische Justiz umfasst aktuell rund 10.000 Arbeitsplätze in über 100 Dienststellen. Mit 41 Amts- und neun Landgerichten stellt die sogenannte ordentliche Gerichtsbarkeit den größten Zweig der fünf Gerichtsbarkeiten dar. Hinzu kommen die Fachgerichtsbarkeiten mit den Sozial-, Verwaltungs- und Arbeitsgerichten sowie dem Finanzgericht. Der hessischen Justiz zugehörig sind darüber hinaus das Hessische Ministerium der Justiz (HMdJ), das Oberlandesgericht, die Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaften sowie die Justizvollzugsanstalten, die verschiedenen Einrichtungen der Justizverwaltung und sozialen Dienste der Strafrechtspflege.

Häufig wird der Begriff Justiz in der Bevölkerung überwiegend mit Strafverfahren oder Zivilklagen in Verbindung gebracht. Das Spektrum der Aufgaben ist allerdings weitaus größer.

Durchgängig elektronische Abwicklung

Häufig wird der Begriff Justiz in der Bevölkerung überwiegend mit Strafverfahren oder Zivilklagen in Verbindung gebracht. Das Spektrum der Aufgaben ist allerdings weitaus größer, weshalb so gut wie alle Bürgerinnen und Bürger früher oder später mit der Justiz in Kontakt kommen. Ein Beispiel dafür sind die Amtsgerichte, bei denen beispielsweise Testamente hinterlegt werden können, Erbscheine erstellt, Grundbucheintragungen vorgenommen oder für Personen mit Einschränkungen gegebenenfalls die Modalitäten einer gerichtlichen Betreuung geregelt werden.

Auch das Handels- und Vereinsregister sowie die Abwicklung von Zwangsversteigerungen werden durch die Justiz verantwortet. Bei all diesen und noch vielen weiteren juristische Aufgaben werden Akten zur Dokumentation sowie zur Bearbeitung des Schriftverkehrs und für verfahrensrelevante Unterlagen angelegt. Genau hier setzt „eJustice“ an: Unter diesem Sammelbegriff wird der Einsatz von Informationstechnologie zur vollelektronischen Abbildung und Abwicklung von Vorgängen des Gerichtswesens zusammengefasst. Hierzu zählen neben der elektronischen Akte (E-Akte) auch die elektronische Kommunikation sowie Querschnittsaufgaben, die zum Beispiel den digitalen Workflow, die Informationssicherheit oder den Datenschutz betreffen.

Grafik mit den drei Aufgabenbereichen des Vorhabens eJustice: elektronische Kommunikation, elektronische Aktenführung und Querschnittsaufgaben

Rechtlich verbindliche Vorgaben

Eine der wichtigsten Grundlagen für die flächendeckende Digitalisierung im Justizwesen bildet das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) mit den Gerichten. Das sogenannte eJustice-Gesetz trat im Oktober 2013 bundesweit in Kraft und verpflichtet Rechtsanwälte, Notare und Behörden, ab dem Stichtag – dem 1. Januar 2022 – die gesamte rechtsverbindliche Kommunikation mit den Gerichten ausschließlich elektronisch abzuwickeln: Klagen, schriftlich einzureichende Anträge, Gutachten und vorbereitende Schriftsätze können nun also auch elektronisch bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Gerichtsvollziehern eingereicht werden. Flankiert wird das eJustice-Gesetz vom Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des ERV, welches ab dem 1. Januar 2026 zur elektronischen Aktenführung verpflichtet.

Zeitstrahl mit den Meilensteinen der eJustice-Umsetzung vom Inkrafttreten des Gesetzes in 2013 über die verpflichtende Nutzung der E-Akte 2017 bis zur flächendeckenden Einführung in 2026

Gemeinsam ans Digitalisierungsziel

Die Umsetzung von ERV und E-Akte stellt die IT-Provider vor große Aufgaben, da die Anforderungen an die dafür nötige IT-Infrastruktur und den Verfahrensbetrieb enorm gestiegen sind. Gefragt sind insbesondere eine möglichst ausfallfreie Verfügbarkeit sowie eine hohe Geschwindigkeit der eingesetzten Systeme im Rund-um-die-Uhr- Betrieb. Zudem gilt es, die Datensicherheit sowie den Datenschutz zur Sicherung von persönlichen Rechten und wirtschaftlichen Interessen stets im Blick zu behalten. Alle hierfür notwendigen Projekte bzw. Projektaktivitäten in Hessen sind unter einem gemeinsamen Vorhaben gebündelt, dem sogenannten eJustice-Programm. Die Federführung liegt bei Abteilung J der HZD, die mit Verfahren der Justiz betraut ist. Die Umsetzung aller Vorhaben geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem HMdJ sowie der IT-Stelle der hessischen Justiz, die als Landesoberbehörde dem Justizressort zugeordnet ist. Dabei übernimmt das HMdJ die gesamte strategische Planung und Ausrichtung aller Digitalisierungsvorhaben der Justiz in Hessen. Zudem hat es die Fachaufsicht über die IT-Stelle und die HZD als Digitalisierungspartner der Justiz.

Farblich verfremdetes Foto eines Eingangsportals mit der Aufschrift „Amtsgericht“ und darüber gelegter Grafik aus stilisierter Akte und den Zahlen 1 und 0

Umsetzung im e²-Verbund

Um den Aufbau und die Weiterentwicklung von IT-Infrastruktur und digitalen Verfahren noch effizienter zu gestalten, hat sich die hessische Justiz mit den Bundesländern Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt zum sogenannten e²-Verbund zusammengeschlossen. Dieser initiiert IT-Projekte, die für die Einführung von ERV und E-Akte notwendig sind, und setzt diese gemeinschaftlich um. Ziel ist es, die Softwareanwendungen so zu gestalten, dass sie in allen Verbundländern eingesetzt werden können. Aktuell entwickelt der Verbund vier e²-Produkte (sprich: Softwareanwendungen), die jeweils von einem Bundesland verantwortet werden:

  • e²A – Aktenbearbeitungsumgebung für den Arbeitsplatz-PC (Nordrhein-Westfalen)
  • e²P – Posteingangs- und -ausgangsmanagement (Hessen)
  • e²S – Saalanzeige- und Saalmanagementsystem (Sachsen-Anhalt)
  • e²T – Textsystem (Niedersachsen)

Hessen betraut ist – ermöglicht die überwiegend automatisierte elektronische Verarbeitung und Verteilung von Postein- und -ausgängen. Die HZD übernimmt dabei in enger Zusammenarbeit mit der IT-Stelle der hessischen Justiz die Projektleitung sowie das Test- und Rolloutmanagement.

Sicherheit und Souveränität im Fokus

Die Digitalisierung der Justiz ist ein Mammutprojekt – gilt es doch, im Zusammenspiel diverser Institutionen und Behörden mit unterschiedlichsten Anforderungen effiziente, sichere und maßgeschneiderte IT-Lösungen zu entwickeln, die flächendeckend funktionieren und dabei ineinandergreifen. Mit der Einführung und dem Ausbau von ERV und E-Akte sind bereits wichtige Meilensteine gesetzt. In den kommenden Jahren werden das HMdJ, die IT-Stelle der hessischen Justiz und die HZD mit weiteren eJustice- Projekten beschäftigt sein. Bei allen wird es gelten, die Anforderungen der jeweiligen Instanzen mit den hohen Ansprüchen an IT-Sicherheit und Datenschutz in Einklang zu bringen, Lösungen und Systemarchitekturen zu planen sowie entsprechende Anwendungen zu erstellen und zu betreiben. Hierbei wird unter anderem der Fokus auf der Einführung der Containertechnologie, der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen sowie der Optimierung der Datenspeicherung liegen. Eine besondere Rolle wird dabei die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung und insbesondere der Justizeinrichtungen spielen. Letztendlich trägt eine maßgeschneiderte IT-Landschaft entscheidend dazu bei, dass die Interessen rechtssuchender Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben.  

Autor/Autorin des Beitrags

Hans-Georg Ehrhardt-Gerst
Leiter der HZD-Außenstelle Hünfeld und Abteilungsleiter J – Verfahren der Justiz

Anna-Lena Wiegand
Kundenberaterin für die hessische Justiz bei der HZD