Als erster Chief Digital Officer der hessischen Polizei legt Bodo Koch den Fokus darauf, die fachliche Perspektive mit einem breiten Technikverständnis zusammenzubringen – also digitale Lösungen nutzbar zu machen und gewinnbringend für die polizeiliche Arbeit einzusetzen. Nach dem Studium zum Polizisten und einem weiteren Masterstudiengang hat Bodo Koch in verschiedenen Führungspositionen hauptsächlich bei der Kriminalpolizei gearbeitet und ab 2020 als Leiter des INNOVATION HUB 110 Digitalisierungsmaßnahmen angestoßen und vorangetrieben. Seit März 2023 ist er zudem Vizepräsident des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik (HPT).
Interview
Der Einsatz von KI ist ohne Alternative
INFORM: Herr Koch, Sie verstärken seit einigen Monaten das Führungsteam des HPT. Als CDO sind Sie für die Konzeption der Digitalisierungsstrategie und als HPT-Vizepräsident für deren Umsetzung verantwortlich. Wie passt das zusammen?
Bodo Koch: Unsere Leitfrage ist: Wie können wir Ideen schneller und besser auf die Straße bringen? Das Hessische Polizeipräsidium für Technik mit Frank von der Au und mir an der Spitze erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium die Digitalstrategie für die hessische Polizei. Um Vision und Umsetzung nicht losgelöst voneinander zu betrachten, war es nur folgerichtig, beide Verantwortungen zusammenzubringen. Denn hier im HPT haben wir die technische Kompetenz, um Ideen in konkrete technische Lösungen zu verwandeln. Das ist schließlich auch das Ziel hinter unserer Digitalstrategie: noch schneller und besser in der Umsetzung zu werden.
INFORM: Die hessische Polizei hat parallel zum Bundesprogramm „P20 – Polizei 20/20“ in den vergangenen Jahren umfassende Digitalisierungsvorhaben angestoßen. Was sind die wichtigsten strategischen Ziele?
Bodo Koch: Gemeinsames Ziel aller Digitalisierungsmaßnahmen ist es, die Polizeiarbeit in den wesentlichen Feldern des Kerngeschäfts weiter zu optimieren. Wie können wir die Arbeit unserer Staatsschützenden weiter verbessern? Wie können wir Kinderpornografie besser bekämpfen? Wie können wir die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten auf der Straße erleichtern?
Unter Federführung von Landespolizeivizepräsident Dr. Roland Wagner haben wir das Digitalisierungsprojekt SCHUB 11 ins Leben gerufen, bei dem sämtliche hessischen Polizeibehörden mitmachen. Dabei wird eine Roadmap, die wir gemeinsam mit allen Behörden erarbeitet haben, unter zentraler Steuerung durch den INNOVATION HUB 110 umgesetzt. Darüber hinaus hat jede Behörde eine spezielle Verantwortung für ein Thema übernommen. Dadurch profitieren alle vom Engagement der anderen, weil wir die Lösungen immer zentral durch die HZD bereitstellen und auf Plattform- Technologien setzen.
INFORM: Wie sehen diese Schwerpunkte konkret aus?
Bodo Koch: Einen wesentlichen Schwerpunkt bildet dabei die „Cloud-Journey“, also die zunehmende Umstellung auf cloudbasierte Dienste. Wir begreifen diesen Transformationsprozess als Reise. Der technologische Wandel verändert unsere Arbeitsweise ganz wesentlich. Die PolizeiCloud Hessen als Private Cloud im Rechenzentrum der HZD ist als zentralisierter Speicher- und Arbeitsort die Antwort auf das Problem der großen Datenmengen. Gerade im Bereich der Bekämpfung von Kinder- und Jugendpornografie bringt die Cloud große Vorteile mit sich: eine zentrale Infrastruktur, auf die Ermittlerinnen und Ermittler von jedem HessenPC zugreifen können, um erstens eine zentrale Analyseplattform zur Erkennung von Täterzusammenhängen zu nutzen und zweitens eine verbesserte – da cloudbasierte – Auswertungssoftware mit KI-Services zu nutzen. Die KI-Services bedeuten eine große Zeitersparnis und Entlastung bei der Auswertung dieser Daten.
Einen weiteren Schwerpunkt haben wir auf die mobile IT gelegt, denn die hessische Polizei hat inzwischen rund 22.000 Mobile Devices täglich im Einsatz. Wir wollen uns bei der Bearbeitung von Vorgängen weiter verbessern und die mobilen Anwendungen dafür intensiv nutzen. Hier haben wir eine entsprechende IT-Infrastruktur aufgebaut, Polizei-Apps entwickelt und Polizistinnen und Polizisten mit Smartphones und Tablets ausgestattet. Dabei beschäftigt uns in enger Abstimmung mit der HZD natürlich auch die Frage, wie wir solche Services im Rahmen des Bundesprogramms P20 anderen Ländern auf einer Cloud-Infrastruktur zur Verfügung stellen können.
Darüber hinaus liegt ein weiterer Schwerpunkt darin, Digitalisierung ganzheitlich und neu zu denken: Menschen, Werte, Arbeitsweisen und Technologie stellen wir in den Mittelpunkt unserer Strategie.
INFORM: Wo geht die Entwicklung in Sachen mobile IT hin?
Bodo Koch: Neben den Apps haben wir eine Plattform entwickelt, die es ermöglicht, verschiedene Systeme flexibel anzubinden. Unsere große Vision lautet: Software as a Service. Dazu gehört für uns das komplette Paket: App- Entwicklung, Plattform, Datenbank, Public Cloud. Hierbei setzen wir ganz bewusst auf die Zusammenarbeit mit Partnern. Bei der App-Entwicklung arbeiten wir mit einem Frankfurter Startup zusammen. In allen Fragen rund um die IT-Infrastruktur schätzen wir die Zusammenarbeit mit der HZD, mit der wir beispielsweise gerade am Aufbau einer Entwicklungsumgebung für Apps in der Public Cloud arbeiten.
INFORM: Im INNOVATION HUB 110, den Sie bisher geleitet haben, werden aus all diesen Ideen praxisnahe Softwarelösungen. Was ist das Erfolgskonzept dieser Organisationseinheit?
Bodo Koch: Einer unserer Leitsätze im INNOVATION HUB 110 ist: Groß denken, klein anfangen. Auch hier kommt unser umsetzungs- und beteiligungsorientierter Ansatz zum Tragen. Der INNOVATION HUB 110 setzt sich anders als eine klassische Polizeidienststelle zusammen. Hier arbeiten mehr IT-Profis sowie IT-Projektmanagerinnen und -manager. Der kleinere Teil des Teams sind Polizistinnen und Polizisten auf ganz unterschiedlichen Erfahrungsstufen. Ein agiler Coach fördert die ziel- und umsetzungsorientierte Arbeitsweise des Teams, das agile Rahmenwerke wie „Objectives and Key Results“ anwendet. Dieser Mix aus fachlichem und technischem Knowhow, aus Erfahrung und frischen Ideen gepaart mit der agilen Arbeitsweise ist im behördlichen Kontext mehr als bemerkenswert. Nicht zuletzt versteht sich der INNOVATION HUB 110 natürlich als Knotenpunkt. Wir setzen ganz stark auf Vernetzung und ein partnerschaftliches Miteinander mit Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung sowie mit der HZD als Full-Service-Provider der Landesverwaltung.
INFORM: Zusammen mit der HZD haben Sie in rasantem Tempo eine Cloud für ein zentrales Forensiknetz aufgebaut. Wie hat sich die Zusammenarbeit gestaltet?
Bodo Koch: Eines der Erfolgsrezepte für dieses gelungene Projekt war die gemeinsame Vision. Anders hätten wir die PolizeiCloud Hessen mit über sieben Petabyte Speicher nicht so schnell von der Idee in die Umsetzung bringen können. Hier war viel Kommunikation gefragt, vor allem in Form von Präsenzmeetings. Dadurch sind alle Beteiligten von HZD und Polizei – sprich: Hessisches Landeskriminalamt und HPT – sehr schnell in die übergreifende Teamarbeit hineingewachsen. Die gemeinsam entwickelte Technologie kann nun als Standard in anderen Bereichen der Landesverwaltung eingesetzt werden.
INFORM: Welche Kompetenzen der HZD kommen denn der Polizei zugute?
Bodo Koch: Wir profitieren hier ganz klar von dem breit aufgestellten Portfolio der HZD – angefangen bei dem Wissen über Netzinfrastrukturen über die Expertise beim Thema Cloud bis hin zur langjährigen Erfahrung in Sachen Management sowie beim Betrieb und Ausbau von Rechenzentren. Auch das schnelle Eingreifen bei technischen Problemen zeichnet die HZD aus. Auch die Bereitschaft der HZD, sich auf die agile Arbeitsweise des INNOVATION HUB 110 einzulassen und mit uns an einem Strang zu ziehen, will ich hervorheben. Das geht so weit, dass die HZD und die Polizei als gemeinsames, übergreifendes Team seit kurzem nach Scrum – also nach einem agilen Rahmenwerk der Softwareentwicklung – arbeiten. Das führt zu schnellen Lösungen und somit zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger.
INFORM: Mit der Cloud kann die polizeiliche Arbeit künftig noch stärker von KI-Services profitieren. Wie beurteilen Sie deren Einsatz? Für welche Anwendungen sind KI-Technologien besonders interessant?
Bodo Koch: Eine der größten Herausforderungen der Polizei generell sind die riesengroßen Datenmengen. Gerade die Bekämpfung der Kinderpornografie ist ein echtes Massendaten-Phänomen. Genauso bei der Organisierten Kriminalität. Wir können daher sehr klar formulieren: Weil Kriminalität immer globaler und immer digitaler wird, gibt es zum Einsatz von KI keine Alternative. Es geht also nicht um die Frage ob, sondern vielmehr um das Wie. Dafür haben wir einen klaren Fahrplan. Wir orientieren uns an den kriminalpolitisch wichtigsten Phänomenen, bei denen wir KI unter strenger Berücksichtigung von Ethik, Recht und Datenschutz unterstützend einsetzen oder einsetzen werden.
INFORM: Können Sie ein Beispiel nennen?
Bodo Koch: Mithilfe von KI-Software können Kolleginnen und Kollegen eine riesige Bilddatenbank – die übrigens auf der Private Cloud der HZD läuft – automatisiert durchsuchen, um relevantes Bildmaterial zu finden. Denn es geht vorrangig um die Reduzierung von Datenmengen bei der Bekämpfung von Kinderpornografie. Auch im Bereich der Organisierten Kriminalität ist KI im Einsatz: Die geknackten Krypto-Handys von Straftätern enthalten Chats in einer unvorstellbar großen Datenmenge. Hier nutzen wir KI als Übersetzungsservice oder auch, um die Chats nach gewissen Mustern zu durchsuchen. Da filtert die KI durchaus schon mal Hinweise auf Drogen oder Waffen aus den Chats heraus. In diesen und weiteren relevanten Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung wird der Einsatz von KI massiv zunehmen, sonst bleibt Polizeiarbeit nicht zukunftsfähig.
INFORM: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Bodo Koch
kurz und knapp
... von Feuerwehrmann bis Arzt war alles dabei.
… es ein sehr spannender und sinnstiftender Beruf ist.
… das Smartphone.
… gehe ich im Wald spazieren oder joggen.
… wie wir Kriege verhindern können.
… Ideen oder Gedanken. Die gehören für mich in ein Buch oder an eine Wand geschrieben.