Porträt Dr. Roland Wagner

Schub für die digitale Transformation

Interview mit Dr. Roland Wagner, stellvertretender Polizeipräsident des Landes Hessen

INFORM: Herr Dr. Wagner, Sie sind promovierter Verwaltungsjurist und haben vor Ihrer Verantwortung als stellvertretender Landespolizeipräsident das Büro des Innenministers Peter Beuth geleitet. Mit welchen Vorhaben sind Sie im September 2021 als Vizepräsident des Landespolizeipräsidiums gestartet?

Dr. Wagner: Was mich täglich antreibt, ist mein großer Respekt für die wichtige Arbeit der hessischen Polizei. Sie ist mit aktuell mehr als 15.200 herausragend arbeitenden Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten die tragende und zentrale Säule für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Die damit verbundenen Frage- und Aufgabenstellungen begleiten mich bereits seit beinahe zehn Jahren und sind für die Sicherheitsarchitektur in unserem Bundesland existentiell. In meiner Position als Landespolizeivizepräsident verstehe ich es daher als meine zentrale Aufgabe, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft unserer Gesamtorganisation zu stellen. Und was hilft dabei besser als das richtige Werkzeug, die passende Umgebung und eine effiziente Herangehensweise?

Deswegen habe ich mir vor allem diese drei Parameter angesehen und hinterfragt, welchen Beitrag ich leisten kann, um diese weiterzuentwickeln, zu verbessern und allen in der Organisation zur Verfügung zu stellen. Eine Lösung ist natürlich die Digitalisierung. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir mit innovativer Hard- und Software, vor allem aber auch mit einem neuen Problemverständnis unsere Arbeit noch effizienter, noch effektiver und damit noch erfolgreicher machen können. Es braucht neue Herangehensweisen, neue Technik, neue Ermittlungsansätze, um auch zunehmend die digitale Kriminalität zu bekämpfen. Gleichzeitig verlangt unsere digitale Welt aber auch nach neuen Denkstrukturen.

Status quo und Handlungsbedarf

INFORM: Wo steht die hessische Polizei in Sachen Digitalisierung und wo sehen Sie den dringlichsten Handlungsbedarf?

Dr. Wagner: Wir alle leben und arbeiten ja bereits in einer digitalisierten Welt. Das verändert auch die Polizeiarbeit maßgeblich. Als hessische Polizei reagieren wir auf diese Veränderungen bereits seit Jahren mit unterschiedlichsten Maßnahmen. So haben wir eigens für die besonderen Herausforderungen der polizeilichen Arbeit den Studiengang Cybercrime ins Leben gerufen, im Rahmen dessen wir zum Beispiel den Umgang mit Big Data oder eine hohe Sensibilität für digitale Kriminalitätsphänomene schulen.

Dank der HZD verfügen wir über ungefähr 16.000 HessenPC, wovon der größte Teil bereits mobiles Arbeiten ermöglicht. Darüber hinaus erhält bis Mitte 2022 jede Polizistin und jeder Polizist ein Smartphone bzw. ein Tablet.

Wir legen außerdem ein besonderes Augenmerk auf die Ausstattung: Dank der HZD verfügen wir über ungefähr 16.000 HessenPC, wovon der größte Teil bereits mobiles Arbeiten ermöglicht. Darüber hinaus erhält bis Mitte 2022 jede Polizistin und jeder Polizist ein Smartphone bzw. ein Tablet. Denn wir wissen, dass die Zukunft der Polizeiarbeit vor allem eins ist: mobil. Damit begegnen wir den Ansprüchen an einen modernen und innovativen Arbeitsplatz, entlasten die Kolleginnen und Kollegen mit passgenauen Apps und Anwendungen und schaffen mit neuer Technik einen verbesserten Bürgerservice.

Aber wir sind uns auch bewusst: Der beste und modernste Arbeitsplatz wird nichts bewirken, wenn er nicht mit Leben gefüllt wird – und genau hier sehe ich auch den größten Handlungsbedarf. Ohne die richtige Herangehensweise, ohne passendes Mindset und ohne geeignete Prozesse wird Technik nie ihr volles Potenzial entfalten. Zum wirklichen Werkzeug wird sie erst, wenn man sie sich zu eigen macht. Oder anders formuliert: Die Technik dient dem Menschen, der Dreh- und Angelpunkt der digitalen Transformation ist.

INFORM: Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

Dr. Wagner: Ja, diesen Gedanken verfolgen wir mit dem Digitalisierungsprojekt SCHUB 11. Hier ist der Name Programm. Denn mit elf ist gemeint, dass alle elf Polizeibehörden gemeinsam an neuen, digitalen Lösungen für den Dienstalltag arbeiten. Im Fokus steht dabei vor allem eins: die Umsetzung mit Blick auf den tatsächlichen Bedarf. Mit SCHUB 11 beschleunigen wir die Einführung effizienter Lösungen für einen kurzfristig spür- und messbaren Mehrwert.

Dazu blenden wir die Behörden-, Fach- und Hierarchiegrenzen aus und verleihen der Digitalisierung unserer Organisation einen weiteren Auftrieb, eben einen Schub. Denn unsere digitale Transformation kann nur dann vollumfänglich und nachhaltig gelingen, wenn wir unser Verständnis von Prozessen neu denken. Mit agilen Methoden schaffen wir so das geeignete Umfeld für den digitalen Fortschritt.

Wir bündeln die Problemstellungen der einzelnen Polizeibehörden in einer gemeinsamen Projektstruktur, brechen mit Silo-Denken und Einzellösungen und schaffen stattdessen ein hessenweites Produktportfolio digitaler Lösungen für den polizeilichen Alltag.

Im Grunde beschleunigen wir durch das Projekt SCHUB 11 die Digitalisierung unserer Gesamtorganisation. Dazu nutze ich gerne ein Bild: Wir stellen der hessischen Polizei als großen, komplexen Tanker elf durchsetzungsstarke, agile Schlepper zur Seite.

Strategische Ziele

INFORM: Was sind ihre strategischen Ziele für die digitale Transformation von bestehenden und neuen Polizeiverfahren?

Dr. Wagner: Die Digitalisierung kann nur gemeinsam mit allen Polizeibehörden gelingen, sie ist eine Gemeinschaftsaufgabe und endet nicht an der eigenen Behördentür. Wir brauchen insgesamt – und damit meine ich die hessische Polizei als Teil unserer Behördenlandschaft – ein gemeinsames Verständnis, wie digitales Arbeiten aussehen soll. Wir brauchen mehr Teamarbeit, die uns nicht nur innerhalb der Behörde effizienter werden lässt, sondern auch in der behördenübergreifenden Zusammenarbeit stärkt. Daher setzen wir nicht nur auf eine starke Vernetzung innerhalb unserer Organisation, sondern pflegen auch einen engen Austausch mit Akteuren aus Wissenschaft und Technik, intensivieren länderübergreifende Kooperationen und sind vor allem für starke Partner wie die HZD dankbar.

Wir profitieren ganz klar von den Stärken und Kompetenzen der HZD: Der schnelle Aufbau der polizeiCLOUD bis Ende 2022 ist nur ein gutes Beispiel dafür, wie lösungsorientiert und effektiv die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist.

Wir wissen aber auch: Anfangen muss man immer bei sich selbst. Deswegen haben wir für unsere eigene Digitalisierung eine klare Roadmap formuliert, entlang derer wir die hessische Polizei Stück für Stück digitaler machen werden. Unser Motto lautet: Groß denken, klein anfangen. Die Betonung liegt dabei auf „anfangen“. Denn letztlich geht es bei der Digitalisierung doch genau darum.

Wir schaffen im Hier und Jetzt dynamische Lösungen für Probleme von heute, morgen und übermorgen. Das ist, das gebe ich offen zu, eine Gratwanderung zwischen Vision und Machbarkeit. Diese Gratwanderung gelingt allerdings, wenn Lösungen nicht statisch verstanden werden, sondern wenn sie anpassbar sind und wir sie ergebnisoffen weiterentwickeln.

Porträt Dr. Roland Wagner

Wunschziele

INFORM: Wenn Sie es sich wünschen dürften, wo stehen wir in drei Jahren bei der Polizeidigitalisierung in Hessen, aber auch im bundesweiten Kontext?

Dr. Wagner: Mein Wunsch und mein Ziel lauten: In drei Jahren ist die gesamte hessische Polizei das, was heute SCHUB 11 ist. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: SCHUB 11 gibt es in drei Jahren nicht mehr, weil der Auftrag des Projekts zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Unser „Tanker“ Polizei besitzt in drei Jahren selbst die Motorenstärke und Manövrierfähigkeit, die er braucht. Digitale Lösungen und agile Prozesse sind zum ureigenen Motor geworden und eine intelligente Netzwerkstruktur durchdringt unsere hierarchisch strukturierte Organisation.

Konkret heißt das: In drei Jahren machen wir uns vorhandene Daten vielschichtig zunutze, um unsere polizeiliche Aufgabenwahrnehmung bestmöglich und am Puls der Zeit auszuüben. Unsere höchsten Ansprüche an IT-Sicherheit und Datenschutz sind unumstößliche Grundpfeiler. Gleichzeitig haben wir das gemeistert, was Digitalisierung außerdem ist: ein organisatorischer Wandel – aber eben auch eine Daueraufgabe.

Schon heute haben wir dafür die Weichen gestellt: In den Bereichen „mobile IT“ und „Auswertung und Analyse“ sind wir bundesweit führend und bringen unser Know-how in das Programm Polizei 20/20 ein.

INNOVATION HUB 110

INFORM: Die hessische Polizei hat mit dem INNOVATION HUB 110 eine Art eigene Digitalisierungsschmiede geschaffen – ein Konzept, das in dieser Form deutschlandweit einzigartig ist. Welchen Herausforderungen begegnet der INNOVATION HUB 110, vor allem auch mit Blick auf die Implementierung der Lösungen? Und welche Rolle sollte die HZD in diesem Kontext spielen?

Dr. Wagner: Mit dem INNOVATION HUB 110 haben wir seit August 2020 eine Stelle, die sich voll und ganz der Digitalisierung unserer polizeilichen Kernaufgabe verschrieben hat. Hier entwickelt ein Team aus Polizeibeamtinnen und -beamten gemeinsam mit IT-Spezialisten und Projektmanagern Lösungen für den polizeilichen Dienstalltag. Konkret kann das zum Beispiel die Entwicklung und Bereitstellung einer App zur Aufnahme von Verkehrsunfällen sein. Dabei setzt der INNOVATION HUB 110 auf verschiedene Schlüsselelemente: die Einbeziehung der Fachlichkeit, einen agilen Projektansatz für eine hohe Anpassungsfähigkeit, die nahtlose Integration der Lösungen in die Organisation, eine flächendeckende Beteiligung und eine kommunikative Begleitung all dessen.

Genau diesen ganzheitlichen Ansatz braucht es, um digitale Neuerungen in eine Organisation zu integrieren. Nur so stoßen die Ergebnisse der digitalen Transformation auf Akzeptanz. Die HZD ist hierbei ein verlässlicher Partner.

Denn die HZD kennt bestehende Strukturen und ihre Herausforderungen, steht als Full-Service-Provider gleichzeitig aber auch kompetent und lösungsorientiert zur Seite.

Derzeit arbeitet die HZD die ersten Lösungsbausteine der künftigen Cloud für Polizeidienste aus. Mit diesem Infrastrukturprojekt, vorangetrieben durch die Besondere Aufbauorganisation (BAO) FOKUS zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendpornografie, wird die HZD eine einfach zu skalierende Private-Cloud- Lösung für die Polizei Hessen etablieren. Die HZD tritt im Projekt in der Rolle eines Generalunternehmers auf: Sie integriert neue Technologien im Bereich hyperkonvergenter Lösungen in die bereits etablierten Landeslösungen.

Cloud und Informationssicherheit

INFORM: Welche Bedeutung haben Cloud-Lösungen für die Polizei und wie steht es hier insbesondere um den Aspekt der Informationssicherheit?

Dr. Wagner: Diese Frage lässt sich kurz und knapp beantworten, denn: ohne Cloud keine Digitalisierung. Die polizeiCLOUD ist daher von zentraler Bedeutung und technologische Grundlage für unsere digitale Transformation. Plattformlösungen bauen organisatorische Barrieren ab und stärken die Zusammenarbeit, vermeiden Mehrfachbefassungen in der Datenverarbeitung und helfen dabei, Betriebs- und Verwaltungsaufwände zu reduzieren. Gleichzeitig ermöglicht diese Standardisierung neben der Steigerung von Effizienz vor allem eins: die Steigerung der Informationssicherheit. Denn als hessische Polizei verstehen wir Sicherheit in Zeiten der Digitalisierung in all ihren Facetten – analog wie digital.

Das Programm Polizei 20/20 hat sich die Harmonisierung und Modernisierung der polizeilichen Informationsarchitektur in Deutschland zum Ziel gesetzt. Den Polizeien sollen – unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben und des Datenschutzes – zu jeder Zeit und an jedem Ort auf die Daten zugreifen können, die für die polizeiliche Arbeit erforderlich sind. Dafür wird ein gemeinsames Datenhaus die bisher heterogene Datenhaltung ablösen. Unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat sind alle 16 Länderpolizeien sowie das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag am Programm beteiligt.

Polizei und HZD

INFORM: Wo sehen Sie die HZD als Partner bei der digitalen Transformation der Polizei?

Dr. Wagner: Die HZD ist als zentraler IT- Dienstleister für uns der erste Ansprechpartner, wenn es um die digitale Transformation unserer Organisation geht. Dabei profitieren wir ganz klar von den Stärken und Kompetenzen der HZD: Der schnelle Aufbau der polizeiCLOUD bis Ende 2022 ist nur ein gutes Beispiel dafür, wie lösungsorientiert und effektiv die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist. Gleichzeitig versteht die HZD unsere Standardisierungsbemühungen, unter anderem im Programm Polizei 20/20. Im engen Austausch entwickeln wir daher eine Strategie, wie wir uns gemeinsam in das Programm einbringen und dabei konkrete Lösungen, wie zum Beispiel verschiedene Polizei-Apps mit dem Qualitätsmerkmal „Made in Hessen“, auch den Polizeien anderer Länder zur Verfügung stellen können.

Dr. Roland Wagner

kurz und knapp

war ganz klassisch: Feuerwehrmann werden.

ich es spannend finde, wie unser Miteinander geregelt ist.

mein Handy.

übernachte ich gerne in meinem Wohnmobil.

Ian Rankin.

fürs Reisen.