Wir sind umgeben von Grenzen. Die Wände des Zimmers verhindern den Weitblick. Zu kleine Räume engen uns ein. Der Kontostand begrenzt die Träume, die wir umsetzen können. Und der Urlaub ist meist zu kurz, um alle Pläne in die Tat umzusetzen.
Die Digitalisierung hat sich unter anderem die Überwindung von Grenzen zum Ziel gesetzt. Durch Digitalisierung wird unser Kontostand zwar nicht automatisch beliebig hoch, aber sie trägt dazu bei, dass wir ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie von jedem beliebigen Ort bequem per Banking-App abfragen können und nicht erst Kontoauszüge abholen müssen. Die Überwindung von Grenzen durch die Beseitigung von Medienbrüchen zwischen Prozessschritten war schon vor gut 20 Jahren ein beherrschendes Thema – gerade im „E-Government“. Viel hat sich seither getan. Prozesse werden immer häufiger durchgängig digital gestaltet. Dabei ist auch manche Grenze im Kopf gefallen: „Die Papierakte ist führend“ gilt längst nicht mehr als unumstößliches Paradigma.
Ein wichtiger Schritt, um Grenzen zu überwinden, ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das gilt für die Grenzen im Kopf wie auch für die technischen Grenzen zwischen Systemen, die an Prozessen und Verfahren beteiligt sind. Um Medienbrüche und den manuellen Transport oder gar die Neuerfassung von Daten zu vermeiden, werden Schnittstellen benötigt, über die die Systeme kommunizieren können und die relevanten Daten automatisch transportiert werden. Wo solche Schnittstellen nicht möglich sind, können Software-Roboter die Arbeit übernehmen und Menschen von lästigen und zeitraubenden Zwischenschritten entlasten. Dadurch verschwinden die Grenzen zwar nicht, aber sie behindern auch nicht mehr den Prozessablauf. So hält die Automation immer mehr Einzug in die IT. Ohne sie wäre Cloud-Computing gar nicht machbar. Gerade dieses Beispiel macht deutlich, dass die Überwindung von technischen Grenzen für schnelle Verarbeitung nicht ausreicht. Auch die Grenzen der Zuständigkeit und der Verantwortung müssen überwunden oder zumindest so weit verschoben werden, dass die technisch umsetzbare Beschleunigung nicht durch manuelle Freigaben und Gegenprüfungen zunichtegemacht wird.
Hinein in eine grenzenlose Welt? Nicht immer! Manchmal sind Brüche in Prozessen auch gewollt – etwa aus Gründen der Sicherheit. Das Vieraugenprinzip oder auch die Multifaktor-Authentifizierung sollen dafür sorgen, dass Prozesse tatsächlich nur so genutzt werden, wie es ihrem Zweck bzw. der Absicht des rechtmäßigen Nutzers entspricht. Derlei gewollte Brüche im Prozessablauf müssen aber so gestaltet werden, dass sie die zweckmäßige und berechtigte Nutzung nicht mehr als nötig bremsen.
Bei allen Möglichkeiten der Digitalisierung, Grenzen zu überwinden, müssen wir darauf achten, durch die Digitalisierung nicht neue Grenzen zu schaffen und Barrieren zu errichten: Digitale Diskriminierung durch die Schaffung von exklusiven digitalen Angeboten, die eine bestimmte Technik oder auch Fähigkeiten voraussetzen, passt ebenso wenig in unsere Welt wie alle anderen Arten von Diskriminierung. Die technische Automation darf nicht dazu führen, Menschen auszugrenzen, die mit eben dieser Technik nicht zurechtkommen. Hier geht es nicht darum, alles auf den größten gemeinsamen Nenner zu reduzieren. Es gilt vielmehr, die Möglichkeiten der Digitalisierung und der Automation so zu nutzen, dass für alle Betroffenen ein passendes und benutzbares Angebot entsteht – ohne Medienbrüche, ohne unnötige Prozessgrenzen und ohne Barrieren.