Was im Jahr 2015 zu Beginn der Flüchtlingskrise als kurzfristig entwickelte IT-Unterstützung begann, hat mit der heutigen Software „Hessische Verfahren für Flüchtlinge“ (HVF) nicht mehr viel zu tun. Die unterschiedlichen Verfahren wurden in die HZD überführt und auf einen technisch aktuellen Stand gebracht. Ergänzend dazu wurden neue Verfahren entwickelt. INFORM wirft einen Blick auf den Status quo der „Betriebsfamilie“.
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Auf stabilen Beinen: Hessische Verfahren für Flüchtlinge
Wir erinnern uns zurück: Flüchtlingskrise 2015. Eine der vielen Herausforderungen, denen sich die Verwaltung damals gegenübersah, war die plötzliche und sehr hohe Flut an Daten sowie deren Verarbeitung. Personell, aber auch mit Blick auf die IT waren die entsprechenden öffentlichen Stellen auf eine solche Situation nicht vorbereitet. Die zuständigen Regierungspräsidien in Hessen arbeiteten bis dato größtenteils mit selbst entwickelten Programmen. Diese waren mit einem Mal völlig unzureichend. Innerhalb kürzester Zeit galt es für die HZD als Partner der Regierungspräsidien, eine transparente und medienbruchfreie Datenverarbeitung zu installieren. Seither ist viel passiert, und angesichts des derzeitigen Zustroms an Geflüchteten aus der Ukraine ist die zugrundeliegende IT-Infrastruktur – die auf einer sehr stabilen Basis steht – aufs Neue gefordert.
Was hat sich inzwischen getan? Seit 2015 wurden die unterschiedlichen Verfahren in die HZD überführt und in der Betriebsfamilie Hessische Verfahren für Flüchtlinge (HVF) gebündelt, auf einen technisch aktuellen Stand gebracht und durch neu entwickelte Verfahren ergänzt, sodass auch für akute Anforderungen schnelle und professionelle Lösungen bereitgestellt werden. Zuletzt im März 2022 reagierte die HZD auf einen Hilferuf der vom Regierungspräsidium Gießen verantworteten Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH), die sehr viel Zeit auf die Erfassung der Daten ankommender Geflüchteter verwenden musste. Mittels eines von der HZD entwickelten QR-Codes, über den die Ankommenden ein Formular auf ihren Mobilgeräten abrufen und vorausfüllen können, konnten auf Ebene der Sachbearbeitung wertvolle Zeitressourcen gespart und für andere dringliche Aufgaben eingesetzt werden.
Betriebsfamilie HVF
In einem fortlaufenden Prozess setzt die HZD immer neue Anforderungen mit Blick auf die Gegenwart, aber auch auf die Zukunft um – sei es in vorhandener oder in neuer Software. Die Hessischen Verfahren für Flüchtlinge (HVF) stellen heute eine umfangreiche Betriebsfamilie dar, die unterschiedlichste Anforderungen rund um das Thema Flucht und Migration abbildet. Und das bei hohem Schutzbedarf rund um die Uhr:
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Ankunft und tägliches Leben
Die Anwendung SVP (System zur Verwaltung von Personendaten) der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen (EAEH) des Regierungspräsidiums in Gießen ist eine Datenbank, die in ihren Kernmodulen u. a. die Daten der Geflüchteten zu Aufnahme, Unterkunft, medizinischer Versorgung, Verpflegung und Betreuung verwaltet. Sie dient aber auch der Verwaltung, Statistik und Administration. Mit „xAusländer“ ist ein neuer Standard vom Bund umgesetzt worden. -
Ausreisepflicht
Die Asyl-DB verwaltet die Daten aus- reisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer und deren Verfahren. Das Modul „Passersatzbeschaffung“ ist ein Teil der Anwendung. Diese unterstützt Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter bei der komplexen Beschaffung von Ausweisdokumenten, wenn Geflüchtete keine entsprechenden Papiere vorweisen können. Weiterhin wird mit der Anwendung AsylDB eine Abschiebung oder Duldung vergeben. -
Zuweisung von Geldern an Kommunen
Das Land zahlt den Kommunen nach einem komplizierten Schlüssel Pauschalen für Unterbringung und Betreuung Geflüchteter gemäß dem Landesaufnahmegesetz (LAG). Die sehr komplexe Berechnung und Auszahlung erfolgt mit der von der HZD entwickelten Anwendung LAG- PAUSCH. -
Unbegleitete minderjährige Asylsuchende
Die Datenbank UMA-DB vereint vormals 33 Listen der Jungendämter in Hessen bezüglich Ankünften, Status und Abgängen unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender. Gerade zu Zeiten erhöhter Zugriffe – wie angesichts des Zustroms an Geflüchteten aus der Ukraine – ist eine zuverlässige Performance von großer Wichtigkeit. Daher führt die HZD regelmäßig Last-und Performancetests durch. -
Verträge mit externen Dienstleistern
Ob Sicherheitsfirma, Caterer, Transportunternehmen oder Wohnungsvermittlung: Viele unterschiedliche Akteure arbeiten bei Unterbringung, Betreuung und Antragsbearbeitung von Asylsuchenden zusammen. Mit der „Vertragsdatenbank Erstaufnahme-Einrichtung“ (Vertrags-DB) werden alle anfallenden Daten und Verträge verwaltet. -
Schnittstellen
Der HVF-Betrieb hat darüber hinaus die Aufgabe, Schnittstellen zu anderen Fachverfahrensherstellern zu entwickeln, zu betreiben und neue Anforderungen umzusetzen sowie Anbindungen zur Datenkommunikation zum Bund (BDR, BVA, BAMF), AZR, Sozial- und Jugendämtern und Regierungspräsidien zu gewährleisten. Die HZD hat hierfür u.a. auch eine Lösung mit dem Namen Datendrehscheibe entwickelt. Sie löst den alten biztalk-Server ab und setzt stattdessen auf eine deutlich kostengünstigere und anwendungsfreundliche Weblösung.
Angesichts der dynamischen weltpolitischen Entwicklungen und insbesondere der aktuellen Lage in der Ukraine gehen der Ausbau und die Unterstützung der Fachverfahren der HVF und die Sicherung eines stabilen Betriebs weiter. Dabei stehen die Softwareentwicklung, der Ausbau von Netzwerken und Systemen sowie die Umsetzung von Anforderungen des Landes, des Bundes und der EU in den nächsten Jahren klar im Fokus, um jederzeit zeitgemäße IT-Anwendungen zur Verfügung zu stellen. So nimmt Hessen schon jetzt im Bundesdurchschnitt eine der führenden Rollen in der Entwicklung von Asylfachverfahren ein.
Autor des Beitrags
Oliver Linsel
Betriebsleiter Hessische Verfahren für Flüchtlinge bei der HZD