Close-up einer entspannt zurückgelehnten jungen Frau, auf deren Gesicht die durch eine Jalousie gefilterte Sonneneinstrahlung helle Streifen bildet

Lernen ohne Hürden

Neben dem etablierten HZD-Seminarangebot zur barrierefreien IT hat die IT-Fortbildung anlässlich der Einführung des neuen Dokumentenmanagementsystems DMS 4.0 erstmals ein Schulungskonzept für Blinde und Sehbehinderte entwickelt. Welche Aspekte es dabei zu beachten gibt, berichtet die Schulungsverantwortliche Ingrid Steinmel.

Nachdem ich im Rahmen des Behördenprojekts zur Einführung von DMS 4.0 beim Regierungspräsidium Gießen ein Seminar für das Projektteam durchgeführt hatte, kam kurze Zeit später das LBIT mit der Anfrage auf mich zu, ein Seminar zur barrierefreien Bedienung von DMS 4.0 anzubieten.

Konkret sollte DMS 4.0 für sechs sehbehinderte bzw. blinde Teilnehmende durchgeführt werden, zu deren Aufgaben das Testen von Webseiten auf Barrierefreiheit zählt. Da DMS 4.0 browserbasiert läuft, war diese Zielgruppe dafür prädestiniert. Als Schulungsplattform wurde HessenConnect gewählt. 

„Sichtbar machen“

Anders als bei Teilnehmenden ohne Einschränkungen ergaben sich neue, besondere Herausforderungen bei der Seminarplanung. Für mich als Dozentin bedeutet das, dass ich blinden Teilnehmenden nichts im System „zeigen“ kann, sondern den Bildschirm, die Datenfelder und die Bedienung erklären sowie die Erklärungen der Screenreader- Software nicht stören darf, die zusätzlich zu den Teilnehmenden spricht. 

Fallstrick Kompatibilität

Weitere Herausforderungen lagen in der technischen Bereitstellung: Für die Durchführung von DMS-4.0-Seminaren haben wir Schulungsumgebungen eingerichtet, die auf einem virtuellen eGovernment-Desktop laufen und somit hessenweit die Nutzung von DMS 4.0 wie auf einer „Spielwiese“ zulässt. Sehbehinderte und blinde Teilnehmende verwenden je nach den individuellen Bedürfnissen verschiedene Hilfsmittel in unterschiedlichen Versionen, die jedoch bisher nicht auf dem eGovernment- Desktop installiert sind. Alle Hilfsmittel mussten daher für das Seminar gesondert installiert und getestet und die jeweiligen Personen darauf zugelassen werden. Mit Unterstützung aus dem DMS-Einführungs- projektteam wurde zudem eine Demo- Version zur Verfügung gestellt, welche die Teilnehmenden direkt im Browser starten konnten. Die Tücke liegt also wie so oft im Detail. 

Mein Fazit

Eine Online-Durchführung von Seminaren für Blinde und Sehbehinderte ist derzeit keine sinnvolle Option, da die im Land verwendeten Online-Konferenzsysteme nicht barrierefrei bedienbar sind. Hier bleiben Präsenzveranstaltungen das Mittel der Wahl. Um Sehbehinderten oder blinden Personen aus ganz Hessen dennoch die Reise nach Wiesbaden zum Seminar zu ersparen, wird in Zukunft vermutlich eine Dozentin oder ein Dozent zum entsprechend ausgerüsteten Arbeitsplatz der Teilnehmenden fahren. Dafür werden wir in der IT-Fortbildung der HZD die Schulungsumgebung für DMS 4.0 weiter ausbauen und die Seminarunterlagen als barrierefreies Word-Dokument zur Verfügung stellen. Es ist also noch einiges zu tun, aber wir arbeiten an einer maßgeschneiderten Schulung, damit sehbehinderte und blinde Mitarbeitende das Potenzial von DMS 4.0 uneingeschränkt ausschöpfen können. 

Das neue Dokumentenmanagementsystem für die Landesverwaltung DMS 4.0 ist barrierefrei gestaltet, damit alle Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst mit ihm arbeiten können. Als browserbasierte Anwendung lässt sie beispielsweise einfache Anpassungen bei der Anzeige zu – sei es die Textgröße oder der Kontrast. Wenn gewünscht, kann die Anzeige der Hintergrundbilder per Befehl abgeschaltet werden. 

Für blinde Mitarbeitende sind diese Maßnahmen jedoch nicht ausreichend. Sie können nicht mit der Maus navigieren, sondern nutzen eine Braille-Tastatur, mit der sie Texte buchstäblich mit den Fingerspitzen ertasten. Zur Navigation verwenden sie die Tabulatortaste und Shortcuts. Zusätzlich kommt eine sogenannte Screenreader-Software zum Einsatz, die den Teilnehmenden die Bezeichnung und die Inhalte der Datenfelder vorliest. Damit das funktioniert, stellt DMS 4.0 die entsprechenden Informationen so zur Verfügung, dass sie mit diesen Hilfsmitteln gelesen und bearbeitet werden können.

Autorin des Beitrags

Ingrid Steinmel
IT-Fortbildung