... es muss auch schnell gehen. Fast wie bei den Olympischen Spielen interessiert sich auch in der IT kaum jemand für die „Holz-Medaille“ des undankbaren vierten Platzes. Kaum taucht eine neue Technologie oder eine neue Methode auf, schießen die Expertinnen und Experten wie Pilze bei feucht-warmem Herbstwetter aus dem Boden und beglücken die Online-Welt mit Artikeln darüber. Oft gibt es dabei zwei Fraktionen: einerseits die uneingeschränkten Befürworter, die First-Mover, die Akteure und Entscheider. Und andererseits diejenigen, die einmal mehr den Untergang des Abendlandes gekommen sehen, die das Neue verbieten oder zumindest bis zum Stillstand regulieren wollen.
Eine genaue Analyse und eine differenzierte Betrachtung sind nicht gefragt. Das würde auch zu lange dauern. Man könnte ja nun denken, dass sich eine solche Welle von Artikeln langsam mit der Entwicklung der Technologie etc. aufbaut und dann plötzlich überschwappt. Aber selbst wenn ein neues Produkt – Hardoder Software – zu einem Stichtag vorgestellt wird, bricht die Flut der Publikationen über uns herein, und es scheint, als ob die Autorinnen und Autoren schon ewig als Insider an diesem Thema arbeiten. Das Phänomen des Schnellseins beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Neuartige. Oft schauen wir auf bereits bekannte Merkmale und Details, um auf das Ganze zu schließen. So kam bei einer Veranstaltung ein Besucher zu einem Stand, an dem wir auf einem Poster zeigten, wie neue Technologien alte Komponenten in einem System ablösen können. Kommentar: „Wo soll denn da die Innovation sein? Diese eine Komponente benutzen wir doch schon seit 30 Jahren...“ Die Tirade ging dann noch etwas weiter, und er rauschte davon.
Es fällt oft schwer, sich einmal auf ein Gesamtszenario einzulassen, es aus verschiedenen Perspektiven zu Offensichtliche zu schauen und das Für und Wider abzuwägen. Dabei liegt die Wahrheit fast immer zwischen Hype und Verriss: Das Neue ist weder vollkommen schlecht, noch die Lösung für alle Probleme. Aber wir stürzen uns auf einzelne Details und benehmen uns wie der kleine Junge mit dem Hammer, für den die ganze Welt nur noch aus Nägeln zu bestehen scheint. Diese Kolumne ist kein Plädoyer für das Abwarten oder die Verlangsamung. Das ergibt sich auch so schon oft genug, und viele Dinge werden durch Liegenlassen nicht besser. Die Welt um uns herum verändert sich ständig weiter, sodass wir in vielen Fällen gar nicht anders können als uns zu dem Neuen eine Meinung zu bilden.
Der Einsatz von generativer KI ist ein aktuelles Beispiel: Die Frage, ob die öffentliche Verwaltung so etwas nutzen kann und darf, kann man nicht mit einem einzigen, einfachen Ja oder Nein beantworten. Auch hier heißt es eher: „Es kommt drauf an.“ Ähnlich ist es bei der Frage, ob man die Verwendung von generativer KI in der Schule verbieten soll. Wie schon beim Auftauchen der Taschenrechner wird sich die Schule – und werden wir uns alle – darauf einstellen müssen, dass es diese Dinge gibt und dass wir lernen müssen, sie angemessen einzusetzen. Das dauert. Und so braucht es am Anfang eventuell ein paar Regeln für den Umgang mit der Sache. Aber gerade auch dann gilt: Wenn man es eilig hat, sollte man sorgfältig arbeiten.