HZD-Chronik_abstraktes Symbol_der Beginn

Absolut visionär

Gegen Ende der 1960er-Jahre schießen in ganz Deutschland Datenverarbeitungs-( DV-)Systeme wie Pilze aus dem Boden. In Hessen sieht man diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Hier hat man schon 1964 ein Landesrechenzentrum geschaffen, das dem Finanzminister unterstellt ist. Es leistet auch für die anderen Ressorts DV-Hilfsdienste. Alle Überlegungen zur Schaffung einer landeseinheitlichen DV-Dienstleistungsorganisation konzentrieren sich beim Finanzministerium. Dessen Chef ist bis 1969 Albert Osswald (SPD). Sein Team und er informieren sich im In- und Ausland. Sie treffen auch auf Willi Olsen, den Direktor der 1959 aufgebauten Datacentrale in Kopenhagen. Teilhaber der Dienstleistungsgesellschaft sind der dänische Staat, die kommunalen Spitzenverbände sowie die Städte Kopenhagen und Frederiksborg. Osswald ist vom dänischen Modell begeistert. 

Porträtfoto von Albert Osswald, dem hessischen Ministerpräsidenten, der bei der Gründung der HZD im Amt war

Am 17. März 1967 fragt der FDP-Abgeordnete und spätere hessische Innenminister Hanns-Heinz Bielefeld, ob das 1964 geschaffene Rechenzentrum der Landesregierung auch für die kommunalen Verwaltungen und Betriebe genutzt werden könne. Nur sechs Wochen später nimmt die Landesregierung ausführlich Stellung unter dem Motto „Die Bedeutung der Technik in der modernen Leistungsverwaltung“. Die Antwort erarbeitet der 49-jährige Regierungsdirektor Klaus Bresse, Organisations- und Haushaltsreferent in der Zentralabteilung des hessischen Finanzministeriums und damit Dienstvorgesetzter des Landesrechenzentrums. 

Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Am 24. Juli 1968 veröffentlicht der Chefkämmerer des Landes eine Pressemitteilung und lässt die Katze aus   dem Sack: „In einem Gespräch mit Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände regte Finanzminister Albert Osswald heute in Wiesbaden die Schaffung einer zentralen Datenverarbeitungsanlage in Hessen an, der sich das Land, die Gemeinden und Landkreise anschließen sollten. Es sei geplant, neben einer zentralen Anlage verschiedene regionale Einrichtungen zu schaffen, die für die Gemeinden eines bestimmten Bereiches die rein technischen Verwaltungsarbeiten übernehmen und die Ergebnisse an die Zentralstelle abgeben könnten. Als Träger einer solchen Einrichtung könnte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts geschaffen werden.“ 

Mit der integrierten Datenverarbeitung streben wir in Hessen die höchste Stufe der Verwaltungsautomation an.

Albert Osswald Ministerpräsident des Landes Hessen
Landesentwicklungsbericht „Hessen ’80: Datenverarbeitung“

Im September stattet eine hessische Delegation der Datacentrale in Kopenhagen einen zweiten Besuch ab. Mitte des Monats findet im Rechenzentrum der hessischen Landesverwaltung unter der Leitung von Osswald eine Besprechung statt. Der Finanzminister umreißt die Konturen der zu schaffenden Einrichtung: Vorgesehen sei die Bildung mehrerer Rechenzentren; jedes zur Betreuung der Verwaltungsarbeiten für ca. eine Million gemeldete Personen. Das Endziel sei, alle Daten der öffentlichen Verwaltungen an einer Stelle zusammenzufassen. Ein absolut visionäres Vorhaben, bei dem der HZD-Ziehvater Osswald – schlitzohriger „Visionär“, wie der Gießener Kurier ihn anlässlich seines 100. Geburtstages titelt – einräumt: „Der von mir angestrebte Versuch ist gewissermaßen ein Schritt voraus in einen noch leeren Raum.“ 

Regierungsdirektor Bresse macht sich an den Entwurf einer Satzung. Das 25-seitige Papier übergibt er am 28. Oktober dem Minister. Bresse „brennt“ für den „Hessischen DV-Verbund“. Am 12. Mai 1969 findet die feierliche Unterzeichnung des Vertrages zwischen Land und kommunaler Seite statt. 

Porträtfoto von Klaus Bresse, Organisations- und Haushaltsreferent in der Zentralabteilung des hessischen Finanzministeriums und damit Dienstvorgesetzter des Landesrechenzentrums

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